14. April 2010

Neue Recht­spre­chung zu Reise­kosten

Reisen, bei denen das Ange­nehme mit dem Nütz­li­chen verbunden wurde, führten in der Vergan­gen­heit immer wieder zu steu­er­li­chen Ausein­an­der­set­zungen.

Entwick­lung der Recht­spre­chung In der jüngeren Recht­spre­chung waren nach dem Bundes­fi­nanzhof die Kosten der An- und Abreise, auch wenn die Reise sowohl beruf­lich genutzte als auch privat genutzte Zeit­an­teile enthielt, nicht aufzu­teilen. Viel­mehr ließ er die Reise­kosten entweder ganz oder aber gar nicht zum Abzug als Betriebs­aus­gaben oder Werbungs­kosten zu.

So ließ der BFH in zahl­rei­chen Fällen Reise­kosten trotz beruf­li­cher Mitver­an­las­sung insge­samt nicht zum Abzug zu.

Hier­unter fiel z. B. die Türkei­reise einer Berufs­schul­leh­rerin, die fast ausschließ­lich türki­sche Schü­le­rinnen unter­rich­tete.

Eine Modi­fi­zie­rung der entwi­ckelten Maßstäbe vollzog sich in einem späteren Urteil: Danach stand dem Betriebs­aus­ga­ben­abzug der Kosten für die Teil­nahme an einer beruf­li­chen Fort­bil­dungs­ver­an­stal­tung nicht entgegen, dass dieser Veran­stal­tung ein Urlaubs­auf­ent­halt an demselben Ort voran­ging. Die Kosten der Reise zum Veran­stal­tungsort und zurück einschließ­lich Reise­ne­ben­kosten konnten jedoch in diesem Fall ebenso wie die Kosten des Urlaubs­auf­ent­halts nicht als Betriebs­aus­gaben abge­zogen werden.

Nach einer weiteren Ände­rung der Recht­spre­chung war es nicht mehr erfor­der­lich, dass die Verfol­gung privater Inter­essen nahezu ausge­schlossen oder von ganz unter­ge­ord­neter Bedeu­tung war. Reise­kosten seien viel­mehr in der Regel schon dann voll­ständig abziehbar, wenn der Reise ein unmit­tel­barer beruf­li­cher Anlass zugrunde liegen und die Verfol­gung privater Reise­inter­essen nicht den Schwer­punkt der Reise bilden würde.

Entschei­dung des Großen Senats des Bundes­fi­nanz­hofs Mit Beschluss vom 21.09.2009 hat der Große Senat des Bundes­fi­nanz­hofs nun entschieden, dass die Aufwen­dungen für die Hin- und Rück­reise bei gemischt beruf­lich (betrieb­lich) und privat veran­lassten Reisen grund­sätz­lich in abzieh­bare Werbungs­kosten oder Betriebs­aus­gaben und nicht abzieh­bare Aufwen­dungen für die private Lebens­füh­rung nach Maßgabe der beruf­lich und privat veran­lassten Zeit­an­teile der Reise aufge­teilt werden können, wenn die beruf­lich veran­lassten Zeit­an­teile fest­stehen und nicht von unter­ge­ord­neter Bedeu­tung sind.

Sach­ver­halt der Entschei­dung Die Kläger waren zur Einkom­men­steuer zusammen veran­lagte Ehegatten. Der Kläger, der früher auch in den USA berufs­tätig war, bezog im Streit­jahr als kauf­män­ni­scher Ange­stellter Einkünfte aus nicht­selbst­stän­diger Arbeit zunächst bei einem im Bereich der Infor­ma­ti­ons­tech­no­logie tätigen Unter­nehmen und im zweiten Halb­jahr aus einer Tätig­keit als „EDV-Controller“ bei einem Unter­nehmen der Versi­che­rungs­branche.

Er besuchte wie auch in den Vorjahren eine Computer-Messe in Las Vegas, auf der er im Vorjahr einen Vortrag gehalten hatte. Er flog am Freitag, dem 11. November 1994, ohne die Klägerin, nach Las Vegas. Die Messe begann am darauf­fol­genden Montag und endete an dem darauf­fol­genden Donnerstag. Von Montag bis Mitt­woch fanden in der Zeit von 10:30 bis 17:00 Uhr (mit drei halb­stün­digen Pausen) Fach­ver­an­stal­tungen und Fach­dis­kus­sionen statt. Am Donnerstag dauerten die Fach­ver­an­stal­tungen von 9:00 bis 14:30 Uhr. Am darauf­fol­genden Samstag flog der Kläger von Las Vegas zurück nach Köln; dort traf er am Sonntag ein.

Der Kläger machte die Aufwen­dungen für die Reise als Werbungs­kosten bei der Ermitt­lung seiner Einkünfte aus nicht­selbst­stän­diger Arbeit geltend: Flug­kosten (inklu­sive Flug­ha­fen­ge­bühren), Tagungs­ge­bühren, Verpfle­gungs­mehr­auf­wand und Hotel­kosten für sechs Über­nach­tungen.

Das Finanzamt berück­sich­tigte nur die Tagungs­ge­bühren als Werbungs­kosten. Das Finanzamt berief sich dabei auf die bishe­rige Recht­spre­chung des BFH, nach der für die Beur­tei­lung „gemischt“ (beruf­lich und privat) veran­lasster Aufwen­dungen ein allge­meines Auftei­lungs- und Abzugs­verbot besteht und eine Auftei­lung nur ausnahms­weise für zulässig erachtet wird.

Begrün­dung des Großen Senats des Bundes­fi­nanz­hofs Diese Recht­spre­chung hat der Große Senat des BFH nunmehr aufge­geben. Ausgangs­punkt seiner Entschei­dung ist die unein­heit­liche Entwick­lung der Recht­spre­chung, die in zuneh­mendem Maß Ausnahmen von dem allge­meinen Auftei­lungs- und Abzugs­verbot zulässt (u. a. bei Tele­fon­grund­ge­bühren und PC-Kosten sowie bei den Zins­auf­wen­dungen für „gemischte“ Konto­kor­rent­schulden).

Nach der nun ergan­genen Entschei­dung des Großen Senats des Bundes­fi­nanz­hofs können die Aufwen­dungen nach den beruf­lich und privat veran­lassten Zeit­an­teilen der Reise grund­sätz­lich in abzieh­bare Werbungs­kosten (Betriebs­aus­gaben) und nicht abzieh­bare Aufwen­dungen für die private Lebens­füh­rung aufge­teilt werden. Da im Streit­fall von den 7 Tagen des USA-Aufent­halts 4 Tage dem beruf­li­chen Anlass zuzu­ordnen waren, mussten die Kosten des Hin- und Rück­flugs demgemäß zu 4/7 als Werbungs­kosten berück­sich­tigt werden.

Praxis­hin­weis Mit der Entschei­dung, das Auftei­lungs- und Abzugs­verbot für gemischt veran­lasste Aufwen­dungen aufzu­geben, hat der BFH eine jahr­zehn­te­lange Spruch­praxis beendet. Reise­kosten werden damit in Zukunft in größerem Umfang abge­setzt werden können als bisher.

Zunächst wird zukünftig fest­zu­stellen sein, welche Kosten­be­stand­teile der Reise eindeutig beruf­lich veran­lasst sind und welche privat. Darüber hinaus ist nunmehr auch ein entspre­chender Teil der Fahrt­kosten zu berück­sich­tigen.

Ist es nicht möglich, die Kosten eindeutig zu trennen, müssen die beruf­lich und privat veran­lassten Kosten­an­teile im Wege der Schät­zung ermit­telt werden.